Das Mund Mikrobiom: Schlüssel für die Gesundheit - insb. während Schwangerschaft, Geburt und Rückbildung

Das orale Mikrobiom wird oft unterschätzt, obwohl es eine zentrale Rolle für die allgemeine Gesundheit spielt. Gerade für Frauen ist es besonders wichtig, die Zusammenhänge zwischen dem weiblichen Zyklus und der Mundflora zu verstehen, um ihre Mundhygiene ganzheitlich zu gestalten und mögliche Probleme besser zu verstehen. Dieser Artikel beleuchtet detailliert, wie sich das Mund Mikrobiom während des weiblichen Zyklus sowie in den Phasen der Schwangerschaft, Geburt und Rückbildung verändert und was Frauen in dieser Zeit beachten sollten. Denn besonders für (werdende) Mütter ist ein gesundes Mund Mikrobiom von größter Bedeutung.

1. Das orale Mikrobiom: Eine Übersicht

Der menschliche Körper beherbergt eine Vielzahl von Teil-Mikrobiomen: zum Beispiel das Darm Mikrobiom, das Haut Mikrobiom, das Vaginal Mikrobiom oder auch das Mund Mikrobiom, um nur einige zu nennen. Diese Mikrobiombereiche stehen in ständiger Wechselwirkung und beeinflussen sich gegenseitig. Beispielsweise kann eine Dysbiose des Darm Mikrobioms das Gleichgewicht des Vaginal- und des Mund Mikrobioms stören und umgekehrt (Hajishengallis et al., 2012). Denn die Kommunikation zwischen diesen Mikrobiomen erfolgt durch CrossTalk - mittels chemischer Signale und Metaboliten, die im ganzen Körper zirkulieren. Ein Ungleichgewicht in einem dieser Mikrobiome wird sich daher auch immer auf andere Systeme auswirken, was die integrative Medizin als entscheidend für die ganzheitliche Gesundheit betrachtet (Santa Teresa Smiles, 2024).

Das Mund Mikrobiom ist wie die anderen auch eine komplexe Gemeinschaft von Mikroorganismen, einschließlich Bakterien, Viren und Pilzen. Bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass das es sich dabei keineswegs eine homogene Masse handelt, die sich im gesamten Mundraum verteilt. Vielmehr ist es ein Sortiment verschiedener Mini-Mikrobiome, die sich je an bestimmten Stellen des Munds befinden. Die jeweiligen Fraktionen scheinen Spezialisten für ihre Nische zu sein, die sie besetzen. Am häufigsten untersucht sind Mikroorganismen in Speichel oder Zahnbelag als auch auf Zunge, Wangen, Gaumen, Rachen oder Mandeln.

Allen gemein ist jedenfalls eines: Sie alle übernehmen zentrale Schlüsselfunktionen im Mund- und Rachenraum. Sie erfüllen wichtige Schutzfunktionen für unsere Zähne und unser Zahnfleisch, können Schadstoffe aus der Luft filtern und wehren gefährliche Krankheitserreger ab. Eine große Artenvielfalt an verschiedenen Bakterien verdrängt fremde Keime und sorgt so dafür, dass, diese sich nicht im Mundraum ansiedeln. Darüber hinaus können einige Bakterienarten unserer Mundflora spezielle Abwehrstoffe produzieren, die gefährliche Erreger gezielt angreifen und eliminieren. 

2. Dysbiose und ihre Folgen

Eine sog. “Dysbiose” ist ein Ungleichgewicht im Mikrobiom, das durch Faktoren wie schlechte Mundhygiene, unausgewogene Ernährung oder Medikamenteneinnahme verursacht werden kann. Es ist wichtig, zu verstehen, dass die Gesundheit des Mund Mikrobioms nicht isoliert zu betrachten ist. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass orale Erkrankungen mit systemischen Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Atemwegserkrankungen in Verbindung stehen (Seymour et al., 2007). Besonders für Frauen ist es wichtig, diese Zusammenhänge zu verstehen, um präventiv tätig werden zu können.

3. Die Frauengesundheit und das Mund Mikrobiom

3.1 Der weibliche Zyklus und die Mundflora

Der weibliche Zyklus ist ein faszinierendes und dynamisches Wechselspiel der Hormone, das weitreichende Auswirkungen auf den gesamten Körper hat – einschließlich der Mundflora. Diese regelmäßigen hormonellen Schwankungen beeinflussen nämlich signifikant die Zusammensetzung und das Gleichgewicht der Mikroorganismen im Mund, was die Gesundheit von Zahnfleisch und Zähnen direkt beeinflusst.

  • Prämenstruelle Phase

In der prämenstruellen Phase, wenn der Progesteronspiegel ansteigt, durchflutet dieses Hormon den Körper und kann auch die Durchblutung des Zahnfleisches erhöhen. Dies kann zu einer gesteigerten Empfindlichkeit und Anfälligkeit gegenüber schädlichen Erregern und Reizungen führen. Das Zahnfleisch kann anschwellen und entzündlich reagieren, was manchmal als prämenstruelle Gingivitis bezeichnet wird (Kornman & Loesche, 1982).

  • Ovulationsphase

Während der Ovulationsphase erreicht der Östrogenspiegel seinen Höhepunkt. Dieses Hormon, oft als Symbol für Fruchtbarkeit und Lebenskraft betrachtet, beeinflusst auch das Mund Mikrobiom. Der erhöhte Östrogenspiegel kann das Wachstum bestimmter Bakterien fördern, die mit Entzündungen des Zahnfleisches in Verbindung gebracht werden. Einige Frauen bemerken während dieser Zeit eine verstärkte Zahnfleischblutung oder Schwellung, selbst bei routinemäßiger Mundpflege (Laine, 2002).

Die hormonellen Veränderungen während des Menstruationszyklus sind daher nicht nur für die Fortpflanzung wichtig, sondern spielen auch eine wesentliche Rolle für die Mundgesundheit. Es ist eine Art harmonisches Zusammenspiel, bei dem die Hormone als Dirigenten agieren und die verschiedenen Teile des Körpers im Einklang halten.

3.2. Schwangerschaft und Mundgesundheit

Während der Schwangerschaft erleben Frauen einige der tiefgreifendsten hormonellen Veränderungen ihres Lebens. Diese Veränderungen haben erhebliche Auswirkungen auf das Mund Mikrobiom und erfordern besondere Aufmerksamkeit und Pflege. Denn ein Ungleichgewicht der Mundflora kann zu behandlungsbedürftigen Beschwerden bis hin zu ernsthaften Schwangerschaftskomplikationen wie Präeklampsie und Frühgeburten führen (Gibbs, 2001).

  • Gingivitis und Schwangerschaft

Während der Schwangerschaft steigen die Hormonspiegel von Progesteron und Östrogen drastisch an, was zu signifikanten Veränderungen im Mund Mikrobiom führen kann. Diese Hormone bewirken, dass das Zahnfleisch stärker durchblutet wird und empfindlicher reagiert. Schwangere Frauen bemerken häufig, dass ihr Zahnfleisch leicht blutet und geschwollen ist, ein Zustand, der als Schwangerschafts-Gingivitis bekannt ist (Jared et al., 2005).

  • Auswirkungen auf die Entwicklung des Babys

Eine gestörte Mundflora kann nicht nur die mütterliche Gesundheit beeinträchtigen, sondern auch die des ungeborenen Kindes. Bakterien aus dem Mund können in den Blutkreislauf gelangen und Entzündungsreaktionen auslösen, die das Risiko für Frühgeburten und ein niedriges Geburtsgewicht erhöhen. Eine gesunde Mundflora trägt somit nicht nur zur mütterlichen Gesundheit bei, sondern spielt auch eine Rolle für die gesunde Entwicklung des Fötus (Gibbs, 2001; Stanford Medicine, 2024).

  • Geburt und Rückbildung

Nach der Geburt kehren die Hormonspiegel langsam zu ihrem Normalzustand zurück, was auch Auswirkungen auf die Mundflora hat. Die Rückbildungszeit, in der sich der Körper von den Strapazen der Schwangerschaft und Geburt erholt, ist eine Phase der erneuten Anpassung und des Gleichgewichts.

In der Rückbildungszeit kann das hormonelle Gleichgewicht erneut Schwankungen unterliegen, die das Mund Mikrobiom beeinflussen. Stillende Frauen können weiterhin hormonelle Anpassungen erleben, die durch die Milchproduktion und andere physiologische Veränderungen verursacht werden. Diese Phase erfordert weiterhin eine sorgfältige Mundhygiene, um das Gleichgewicht der Mikroorganismen zu erhalten und Entzündungen vorzubeugen.

  • Einfluss der Mundflora auf die Stillzeit

Die orale Gesundheit der Mutter kann sich sogar direkt auf das Stillen auswirken. Eine dysbiotische Mundflora kann über den Blutkreislauf Fernwirkung auf die Milchbildung und die Brustdrüsen haben und bis hin zu Brustinfektionen führen, die das Stillen erschweren und Schmerzen verursachen können.

4. Praktische Tipps für eine mikrobiomfreundliche Mundhygiene

Es ist ein weit verbreiteter Mythos, dass man nach jeder Mahlzeit die Zähne putzen sollte. Tatsächlich kann übermäßiges Zähneputzen das Mund Mikrobiom stören und zu Zahnfleischproblemen führen. Bei einem stabilen Mikrobim ist es sogar ausreichend, nur einmal täglich zu putzen und dabei passende Produkte zu verwenden.

Schadstofffreie Zahnpasta und Ölziehen

Die Verwendung von schadstofffreier Zahnpasta ist essenziell, um das Mund Mikrobiom nicht zu stören. Viele handelsübliche Zahnpasten enthalten aggressive Substanzen, die die natürliche Bakterienflora im Mund aus dem Gleichgewicht bringen können. Auch wenn viele Zahnärzte und Fachgesellschaften anderes empfehlen, solltest du auf eine fluoridfreie Zahnpasta setzen, die auch frei von Süßungsmitteln, Triclosanen oder Sulfaten ist und nicht schäumt.

Verzicht auf übermäßige Mundhygieneprodukte

Industrielle Mundhygieneprodukte wie Mundspülungen, Zahnseide und Interdentalsticks können das Gleichgewicht des Mund Mikrobioms stören. Diese Produkte enthalten oftmals Schadstoffe, können eine Vielzahl nützlicher Bakterien abtöten und so das Risiko für Dysbiosen erhöhen. Konzentriere dich auf regelmäßiges Zähneputzen und Ölziehen, um die natürliche Balance zu bewahren.

Ernährung und Mikrobiom

Eine ausgewogene Ernährung, reich an Ballaststoffen und Probiotika, unterstützt nicht nur das Darm Mikrobiom, sondern auch das Mund Mikrobiom. Fermentierte Lebensmittel wie Joghurt, Sauerkraut und Kimchi können dabei helfen, die Gesundheit der Mikroorganismen in deinem Mund und Darm zu fördern.

5. Integrative und funktionelle Ansätze zur Pflege des Mund Mikrobioms - ganzheitliche Betrachtung der Mundgesundheit und Herzensempfehlung für das Ölziehen

Integrative und funktionelle Medizin betonen die Bedeutung eines gesunden Mund Mikrobioms als Teil der ganzheitlichen Gesundheit. Die Mundgesundheit ist einfach direkt mit der allgemeinen Gesundheit verbunden, einschließlich der Herzgesundheit, des Stoffwechsels, der ganzheitlichen Frauengesundheit und sogar mit dem mentalen Wohlbefinden.

Ölziehen ist eine alte Praxis aus der Ayurveda-Medizin, die seit Jahrtausenden zur Förderung der Mundgesundheit verwendet wird. Regelmäßiges Ölziehen kann helfen, Bakterien zu reduzieren, Entzündungen zu bekämpfen und die Mundflora im Gleichgewicht zu halten. Diese Methode bietet vielfältige Vorteile, insbesondere für Frauen während der Schwangerschaft und der Stillzeit (Fitzgerald, 2024).

Die Ayurveda-Tradition des Ölziehens: Vorteile für die Mundflora und die allgemeine Entgiftung

Die ayurvedische Tradition betrachtet den Mund als Spiegel des gesamten Körpers. Durch die Pflege der Mundgesundheit trägt das Ölziehen zur Förderung des allgemeinen Wohlbefindens bei. Es hilft, das Gleichgewicht der Doshas (Vata, Pitta und Kapha) im Körper zu erhalten, was laut Ayurveda für die Aufrechterhaltung der Gesundheit und die Vermeidung von Krankheiten essenziell ist.

Ursprung und Praxis des Ölziehens

Ölziehen, auch bekannt als „Gandusha“ oder „Kavala“, ist eine alte ayurvedische Praxis, die seit Tausenden von Jahren zur Förderung der Mundgesundheit und allgemeinen Entgiftung verwendet wird. Regelmäßiges Ölziehen kann helfen, Bakterien zu reduzieren, Entzündungen zu bekämpfen und die Mundflora im Gleichgewicht zu halten. Diese Methode bietet vielfältige Vorteile, insbesondere für Frauen während der Schwangerschaft und der Stillzeit (Fitzgerald, 2024). Bei dieser Methode wird ein Esslöffel Öl, traditionell Sesam- oder Kokosöl, für 10 bis 20 Minuten im Mund gespült und dann ausgespuckt. Die Idee hinter dem Ölziehen ist, dass das Öl Bakterien, Toxine und andere schädliche Substanzen aus dem Mund herauszieht und dadurch die Gesundheit des Mund Mikrobioms und des gesamten Körpers verbessert (Asokan et al., 2009).

Vorteile für die Mundflora

Das Ölziehen bietet zahlreiche Vorteile für die Mundflora: Ölziehen kann die Anzahl schädlicher Bakterien im Mund signifikant reduzieren. Studien haben gezeigt, dass regelmäßiges Ölziehen das Bakterienniveau von Streptococcus mutans, einem Hauptverursacher von Karies, deutlich senkt (Peedikayil et al., 2015).

Durch die Reduktion von Plaque und die Vorbeugung von Zahnfleischerkrankungen trägt das Ölziehen zur allgemeinen Mundgesundheit bei. Es kann Entzündungen im Zahnfleisch reduzieren, Zahnfleischbluten verringern und das Atmen erfrischen. Das Öl bildet eine Schutzbarriere auf den Zähnen und dem Zahnfleisch, die die Ansiedlung neuer Bakterien erschwert.

Allgemeine Entgiftungswirkung

Neben den Vorteilen für die Mundgesundheit hat das Ölziehen auch eine entgiftende Wirkung auf den gesamten Körper: Das Ölziehen soll Toxine und Schwermetalle aus dem Körper ziehen. Diese Substanzen werden durch die Schleimhäute im Mund aufgenommen und durch das Öl absorbiert. Das regelmäßige Spülen mit Öl hilft, diese Toxine zu entfernen und die Belastung des Immunsystems zu reduzieren (Nagilla et al., 2017). Durch die Reduktion der bakteriellen Belastung und die Entfernung von Toxinen kann das Ölziehen auch insgesamt das Immunsystem entlasten.

6. Fazit

Das Mund Mikrobiom spielt eine entscheidende Rolle für die allgemeine Gesundheit und das Wohlbefinden von Frauen, besonders während der Schwangerschaft, Geburt und Rückbildung. Ein gesundes Gleichgewicht dieser Mikroorganismen kann durch einfache, natürliche Methoden wie schadstofffreie Zahnpasta und Ölziehen aufrechterhalten werden. Die enge Verbindung zwischen Mund- und Darm Mikrobiom unterstreicht die Notwendigkeit eines integrativen Ansatzes, um langfristige Gesundheit und Wohlbefinden zu fördern.

Quellen

  • BLIS Technologies. (2024). Unlocking the Power of a Balanced Oral Microbiome: The Gateway to Optimal Health.

  • Kilian, M., Chapple, I. L. C., Hannig, M., Marsh, P. D., Meuric, V., Pedersen, A. M. L., ... & Zaura, E. (2016). The oral microbiome – an update for oral healthcare professionals. British Dental Journal, 221(10), 657-666.

  • Hajishengallis, G., Darveau, R. P., & Curtis, M. A. (2012). The keystone-pathogen hypothesis. Nature Reviews Microbiology, 10(10), 717-725.

  • Seymour, G. J., Ford, P. J., Cullinan, M. P., Leishman, S., & Yamazaki, K. (2007). Relationship between periodontal infections and systemic disease. Clinical Microbiology and Infection, 13, 3-10.

  • Frontiers. (2024). Interplay Among the Oral Microbiome, Oral Cavity Conditions, the Host Immune Response, Diabetes Mellitus, and Its Associated-Risk Factors.

  • Gibbs, R. S. (2001). The relationship between infections and adverse pregnancy outcomes: an overview. Annals of Periodontology, 6(1), 153-163.

  • Jared, H. L., Boggess, K. A., Moss, K. L., Mauriello, S. M., & Beck, J. D. (2005). Periodontal therapy improves pregnancy outcomes in women with periodontitis: results of a randomized controlled trial. Journal of Periodontology, 76(11-s), 2081-2094.

  • Peedikayil, F. C., Sreenivasan, P., & Narayanan, A. (2015). Effect of coconut oil in plaque-related gingivitis—a preliminary report. Nigerian Medical Journal, 56(2), 143-147.

  • Santa Teresa Smiles. (2024). Understanding Your Oral Microbiome: Why Your Mouth’s Microbial World Matters.

  • Dr. Kara Fitzgerald. (2024). A Powerful, Functional Approach to a Healthy Oral Microbiome.

  • Dr. Mark Hyman. (2024). The Functional Medicine Approach To Oral Health.

  • Scientific American. (2024). How Poor Oral Health Fosters Systemic Disease.

  • Stanford Medicine. (2024). Pregnancy and the Human Microbiome.

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